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ELLY KOCH – Kreuzstichpionierin


Elly Amalie Koch ist am 24. Juli 1916, also auf den Tag genau 79 Jahre vor Anna Laura, in Graubünden geboren. Als sie als kleines Mädchen an Kinderlähmung erkrankte, war sie oft wochenlang fast am ganzen Körper eingegipst und konnte nur ihre Hände bewegen. Von ihrer Mutter, einer geschickten Stick- und Strickerin, lernte Elly die Handwerkskunst. Die junge Elly war begabt und stickte fortan im Krankenbett mit einer «gehörigen Portion Lebensmut!». [1] Ebenfalls strickte sie sehr gerne. In einem Artikel aus einem Modeblatt von 1990 ist folgendes Zitat zu lesen: «In meinen Mädchenjahren strickte ich sehr gerne. Meist gefiel mir ein selbstgestrickter Pullover schon nach kurzer Zeit nicht mehr; also löste ich ihn auf und machte ihn neu». Freundinnen der Mutter schüttelten darüber nur den Kopf. Doch dieser schöpferische Umgang mit Materialien, die Fertigkeiten und die Geschicklichkeit, welche Elly dabei erlernte, halfen ihr ein Stück weit zu überleben und prägten ihr ganzes Leben. [2]

 


Nachdem Elly Koch auf Wunsch des Vaters die Handelsschule absolvierte, arbeitete sie anschliessend im Büro der Druckerei und Papeterie desselben. Da sich Elly so oft wie möglich vor der Arbeit drückte, resignierte ihr Vater nach einem halben Jahr und Elly stieg in die Selbständigkeit um. Sie widmete sich fortan ganz ihrer Leidenschaft, dem Bündner Kreuzstich. [3]

 

«Als einziger Kanton in der Schweiz hat Graubünden, das Land der 150 Täler, eine reiche Auswahl an alten Kreuzsticharbeiten vorzuweisen. Viele Täler haben ihre speziellen Muster, sei es ein Nelkenmuster, ein Eichelmuster oder zierliche Vögel und Blumenranken. In dieser schönen bündnerischen Volkskunst gibt es noch unzählige prächtige Kreuzsticharbeiten, Kissen, Paradehandtücher, Leintücher und Taufdecken. Mit viel Fantasie und Kunstsinn haben die Bäuerinnen ihre wertvollen Sachen gesickt, und Familienstücke wurden durch Generationen sorgfältig aufbewahrt. So habe ich mich entschlossen, diese herrlichen Stickereien zusammenzusuchen und aufzuzeichnen.» [1] So schrieb Elly Koch in ihrem Buch «Schweizer Kreuzstichmuster» das 1982 im Rosenheimer Verlag erschienen ist.

 

Quelle: Zweifel, Meta, (1990), „Kreuzstich-Meisterin” „Elly Koch“, Fotografie, Meyers Modeblatt/Frauenkulturarchiv Graubünden. https://www.frauenkulturarchiv.ch/was-bisher-geschah/hommage-elly-koch-21-3-2015/. Zugriff: 10.08.17


Als eine Art «Feldforscherin» reiste sie in und durch die abgelegenen Bergtäler Graubündens, um nach alten Stickmustern zu suchen. «Wenn ich in Dörfern nach alten Stickereien fragte, musste ich sehr oft zuerst das Vertrauen der Leute gewinnen und ihnen zusichern, dass ich an Ort und Stelle, in ihrem Haus, ein altes Stickmuster aufzeichnen werde. Ehe ich kam, waren eben oft schon die Antiquitätenhändler auf der Pirsch gewesen – die wollten selbstverständlich keine Kreuzstichmuster kreieren, sondern den Frauen schöne, gestickte Familienschätze für wenig Geld abluchsen!». [1] berichtet Elly in dem Artikel «Kreuz für Kreuz ein Kunsthandwerk» von 1991. So sass Elly stundenlang in fremden Stuben und zeichnete die Muster auf Millimeterpapier ab. [5] Die Sammlung von Elly ist in 2 Büchern und 8 Heften dokumentiert. Mit großem Elan betrieb sie später ihr eigenes Geschäft in Chur, wo sie typische Andenken aus Graubünden verkaufte und ihre Stickereien präsentierte.

 


Obwohl Elly Koch 1983 in den Ruhestand trat, blieb sie bis ins hohe Alter aktiv und erhielt mehrere Auszeichnungen für ihr Lebenswerk. Trotz ihrer Gehbehinderung, welche nach der Kinderlähmung zurückblieb, konnte sie durch diszipliniertes Training im Erwachsenenalter bis zu neun Stunden marschieren. [2] Elly Koch ging mit einer positiven Einstellung durch ihr ganzes Leben. Sie hatte schon immer ein Auge für Schönes, einen eigenen Kopf und eine klare Meinung.[5] Elly Koch’s Lebensmut, Durchhaltewillen und das Meistern und Annehmen von Herausforderungen brachten ihr unter anderem ihren grossen Erfolg ein. [6]

 

In einem Interview mit dem Churermagazin als 100-jährige Frau, gab sie auf die Frage nach dem Geheimrezept für ein so langes Leben an, keines zu haben – nach kurzem Überlegen fiel ihr dann doch noch eine andere Antwort ein: «Jeden Tag geniessen und zufrieden sein mit dem, was man hat.» [3]


Quelle: Hartmann, Marco (2017), „Strickkönigin Elly Koch ist gestorben”, Fotografie, Südostschweiz, https://www.suedostschweiz.ch/aus-dem-leben/2017-08-04/strickkoenigin-elly-koch-ist-gestorben. Zugriff: 10.09.17


Textquellen:

[1] Zweifel, Meta (1991): „Kreuz für Kreuz ein Kunstwerk”. In: Für Uns Reportage/ Frauenkulturarchiv Graubünden. https://www.frauenkulturarchiv.ch/was-bisher-geschah/hommage-elly-koch-21-3-2015/. Zugriff: 10.08.2017

 

[2] Zweifel, Meta (1990): „Kreuzstich-Meisterin”. „Elly Koch“. In: Meyers Modeblatt/Frauenkulturarchiv Graubünden. https://www.frauenkulturarchiv.ch/was-bisher-geschah/hommage-elly-koch-21-3-2015/. Zugriff 10.08.2017

 

[3] De Jong, Peter (2016): „Die «Grande Dame des Bündner Kreuzstichs» wird 100 Jahre alt“. Churer Magazin. www.churermagazin.ch/pages/archive/201607/portraet.pdf. Zugriff: 09.12.16

 

[4] Koch, Elly (1982): «Schweizer Kreuzstichmuster». Rosenheimer Verlagshaus

 

[5] Audioaufnahme: Hablützel, Stefanie (2015): „Ein Leben für den «Krüzlistich»“. SRF 1 Regionaljournal. www.srf.ch/news/regional/grau­buenden/ein-leben-fuer-den-kruezlistich. Zugriff: 09.12.16

 

[6] Murer-Zuber, Pia (1983): „Ein Leben mit dem Bündner Kreuzstich”. In: Neue Bündner Zeitung/Frauenkulturar­chiv Graubünden. https://www.frauenkulturarchiv.ch/was-bisher-geschah/hommage-elly-koch-21-3-2015/. Zugriff: 10.08.2017

 

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